Interview mit Dimitar Berbatov

  • Leverkusen: Interview mit Dimitar Berbatov
    Seit sechs Jahren spielt Dimitar Berbatov (25) für Bayer Leverkusen. Auf den ganz großen Durchbruch wartet der Bulgare immer noch. Jetzt will er zu einem Top-Verein wechseln.



    Will öfter jubeln: Bayer Leverkusens Dimitar Berbatov.


    Frage: Herr Berbatov, Sie haben in 48 Länderspielen für Bulgarien 31 Tore erzielt. 60 Bundesligatore in 147 Spielen stehen für Sie zu Buche. In Ihrer Heimat sind Sie ein Nationalheld. Warum tun Sie sich Bundesliga-Mittelklasse an?


    Dimitar Berbatov: Tue ich das? Ich bin anderer Meinung.


    Frage: Aber Leverkusen repräsentiert in dieser Saison nicht mehr als Mittelmaß!


    Berbatov: Okay, momentan sind wir nicht auf dem Top-Level. Wir haben schlechte Spiele gezeigt. Die Zeiten, als mit Lucio und Ballack absolute Weltstars hier spielten, sind eben vorbei. Aber ich bin Optimist und sehe uns viel besser, als wir uns oft gezeigt haben.


    Frage: Und die Menschen in Ihrer Heimat - fragen Sie nicht, warum Sie immer noch bei Bayer sind?


    Berbatov: Doch, natürlich. Fast jeder fragt mich das. Und fünf Jahre Bayer, das ist eine lange Zeit. Es ist mein Wunsch, in einem Top-Klub zu spielen. Ich will meine Qualität auf diesem Niveau zeigen. Mein Wunsch war es auch, hier in Leverkusen Großes zu leisten. Wir hatten Chancen Meister zu werden, leider hat es nie geklappt.


    Frage: Der Transfer von Stefan Kießling aus Nürnberg zwingt Bayer zum Verkauf eines Top-Spielers. Werden Sie das sein?


    Berbatov: Ich weiß, dass es diese Gedanken gibt. Mal sehen, ob sich ein Top-Klub meldet.


    Frage: Wäre Bayern München solch eine Adresse? Oder käme bei einem Wechsel die Bundesliga nicht in Frage?


    Berbatov: Ich liebe die Bundesliga. Sie ist ausgeglichen und jedes Wochenende spannend. Jeder kann jeden schlagen. Die Bayern? Ein gutes Team. Aber es scheint, es fehlt ihnen gegen richtig große Mannschaften an Selbstvertrauen. Diesen Eindruck hatte ich gegen den AC Mailand. Da haben sie viel zu verkrampft gewirkt. Aber klar, die Münchener sind eine europäische Top-Adresse.


    Frage: Was macht die Bundesliga so interessant in Ihren Augen?


    Berbatov: Nehmen wir unser Spiel gegen Schalke. Wir haben verloren, 4:7! Aber ich war glücklich, an diesem Spiel teilgenommen zu haben. Jeder Angriff war gefährlich, fast jeder Schuss ein Treffer. Wir lagen zwei Mal mit drei Toren zurück und kamen immer wieder. Es war ein verrücktes Spiel, ich war am Ende natürlich enttäuscht. Aber es war ein großes Erlebnis.


    Frage: Ein großes Erlebnis hätte auch die WM werden sollen. Bulgarien scheiterte an Schweden und Kroatien. Wie sehr schmerzt es, zuschauen zu müssen?


    Berbatov: Das tut sehr weh. Wir haben Fehler gemacht mit unserer jungen Mannschaft, waren teilweise zu offensiv und haben dumme Tore kassiert. Man kann es nicht ändern. Ich werde mir das Turnier am Fernseher anschauen.


    Frage: Und Deutschland die Daumen drücken?


    Berbatov: Ach, Ihr Deutschen! Ihr seid viel zu kritisch mit der Mannschaft. Sie hat Potenzial und wird kein Problem haben, die Gruppe zu überstehen. Aber danach wird es ernst.


    Frage: Werden Sie nach der WM noch in Deutschland spielen?


    Berbatov: Jetzt müssen wir erstmal die Saison ordentlich über die Bühne bringen. Was dann kommt, wird man sehen. Meine Planungen sehen einen Wechsel zu einem großen Klub vor, das ist richtig. Aber: Es muss sich einer melden, der bereit ist, auf die Forderungen einzugehen.


    Frage: Eine Ablöse von rund 15 Millionen Euro steht im Raum. Viel Geld für einen, der vor zehn Jahren für ein paar Fußballschuhe aus Blagoevgrad zu ZSKA Sofia gewechselt ist.


    Berbatov: Es liegt an mir, zu beweisen, dass ich das Geld wert bin. Aber wenn wir schon beim Thema sind: Es würde mir wahnsinnig schwer fallen, Leverkusen zu verlassen.


    Frage: Das ist jetzt nicht Ihr Ernst? Gibt es denn nicht reizvollere Städte?


    Berbatov: Ich bin jetzt sechs Jahre hier. Ich habe hier viele Freunde gewonnen. Das ist meine zweite Heimat. Als ich kam, war ich jung und scheu. Jetzt bin ich erwachsen.


    Frage: Erwachsen genug, um mitzuhelfen, die Saison für Bayer noch einigermaßen erträglich zu gestalten?


    Berbatov: Die Champions League ist ja nicht mehr drin (lacht). Aber jetzt kommen die Spiele gegen die direkten Konkurrenten um Platz fünf. Die müssen wir gewinnen.


    Frage: Im Verlaufe der Saison wurden Ihnen Probleme mit Ihrem Sturmkollegen Andrey Voronin unterstellt. Gibt es die?


    Berbatov: Es ist richtig, dass wir uns nicht so oft unterhalten. Aber in der vergangenen Saison haben wir gemeinsam über 30 Tore erzielt. Mit Franca habe ich auch nicht so viel geredet, aber wir hatten fast die gleiche Quote. Es ist egal ob du einen magst oder nicht. Wichtig ist es, die Probleme in der Kabine zu lassen. Auf dem Platz, da gilt es, da muss jeder dem anderen helfen.


    Frage: Warum klappt das nicht immer in dieser Saison?


    Berbatov: Manchmal hat es geklappt, aber nicht oft genug. Das sind die Tage, wo ich nach dem Spiel daheim auf der Couch sitze und mich frage: Verdammt, was ist da passiert? Warum hast du es so gemacht und nicht anders?


    Frage: Viele Experten trauen Ihnen zu, ein Weltstar des Fußballs zu werden. Behalten sie Recht?


    Berbatov: Es ist einer meiner großen Träume. Da hängt viel vom Selbstvertrauen ab. Und davon, wo du spielst. Schaut euch Michael Ballack an oder Miroslav Klose. Sie haben das Zeug zum Weltstar. Aber sie spielen in Deutschland und die ganz große Presse nimmt viel weniger Notiz von Deutschland als früher. Ich habe vor einiger Zeit in einem englischen Magazin ein Interview mit Wayne Rooney gelesen. Sie haben ihn nach Lukas Podolski gefragt. Wissen Sie, was er geantwortet hat? "Podolski? Sorry, den kenne ich nicht." Ich bin sicher, wenn Lukas in England, Spanien oder Italien spielen würde, dann wäre er in der ganzen Welt bekannt.


    Interview: Frank Lußem


    Quelle: gmx

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!